/ Achmatowa - Pasternak - Zwtajewa      x x x
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Inhalt:
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Einführung
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1. Pasternak
1. 1 Briefe aus den Jahren 1959 und 1960 21
1. 2. Reise nach Marburg 33
1. 3 Einige Kernsätze aus Dr. Shiwago 140

. 2. Achmatowa
2.1 Taschkent 40
2.2. Das Jahr 1946 57
2.3. AA in den ersten Sowjetjahren 62
2.4. Gedichte: Späte Antwort Wir sind zu viert, 76

3. Zwetajewa
3.1. Prosa - Geld ist Dreck ; Moskau in St.Petersburg 77
3.2.. Gedichte 83
Der Vorhang 83
Der Zug 84
Zwei (meinem Bruder Pasternak) 85
Versuch über Eifersucht 87
Merkmale (der Leidenschaft) 89
3.3 Majakowskji 90
3.4. Verse auf Puschkin, 95
3.5. Paris 1935 - Treffen mit Pasternak 99
3.6. Gedichte aus Böhmen 103
3.7. Letzte Briefe 104
3.8. Neujahrsbrief an Rilke postum (1927) 111
3.9. Briefe von Ariadna Efron an Pasternak 127
4. Pasternak - Kernsätze aus "Dr. Shiwago" u.a. 138
5. Möglichkeit des Mensch-seins [Joseph Brodsky] 143
6. Anhang: Poesie, Unendlichkeit und Zeitlichkeit -
Studien zum " Griechentum" 147


Worum es geht !!


Dieses schmale Büchlein ist eine Verbeugung vor den Trägern der russischen Literatur. Der Zauber, den ich von ihren Werken und ihren Leben ausgehend verspürte, trieb mich an, dieses Heftchen zu gestalten. Ein spanischer Musiker Dirigent soll auf die Frage nach seinen nächsten Vorhaben und Projekten mit einem Bertold Brecht zugeschriebenen Bon mot geantwortet haben: "Ich bereite meinen nächsten Irrtum vor."
Es grenzt an Hybris, wenn ich mich von den Höhen der genannten distanziere. Nichts desto weniger sind es wohl gerade die Irrtümer, die vermeintlich sicheren Wege und guten Ziele, nach deren Suche wir Menschen unsere Tage auf der Erde verbringen.

An dieser Stelle möchte ich Dich, möchte ich Euch, als diejenigen, die diese Broschüre in die Hand nehmen, motivieren, die ganze Broschüre durchzusehen und einen Anstoß geben sich mit russischer - oder deutscher, englischer usw. - Lyrik und Literatur zu befassen. Der Hunger, der Appetit, entsteht vielleicht nicht gleich bei der Wahrnehmung des ersten Duftes. Manchmal muß der Geschmack, der Gaumen vorbereitet, entwickelt werden? Ich stehe da selber auch noch sehr am Beginn, mir fehlt es noch sehr am trainierten Geschmack, an eine entwickelten "Zunge".

Und dennoch möchte ich keinen Etikettenschwindel begehen: Dieses Buch stellt sowohl eine Gratwanderung als auch Brücke zwischen Politik und Literatur (Lyrik) dar. Indem ich mich mit dem einfachen gewöhnlichen Leben und den Werken einiger russischer Schriftsteller befasste, erhielten Ereignisse, die das vorangegangene Jahrhundert prägten, eine neue mich schockierende Interpretation und Kausalbeziehung. Mir wurden Seiten und Aspekte klar, die ich immer verdrängt habe. Lange nachdem Hungerkatastrophen, die durch die "Verflüssigung der Kulaken als Klasse" zu Millionen Toten geführt hatten, richtete sich der Terror auch gegen die Führer und Mitläufer der Revolution. Und erst "jetzt", erst zu diesem Zeitpunkt begannen Anhänger der Revolution an dieser zu zweifeln. Und auch das waren zunächst nur sehr wenige. Erst zwanzig Jahre später, 1956, nach dem berühmten 20. Parteitag wurde das dann anders, aber es waren bis zuletzt immer nur punktuelle Offenlegungen der Fakten und der Zusammenhänge. Selbst Chruschtschows Geheimrede auf jenem Parteitag wurde wohl erst 44 Jahre später &öuml;ffentlich. Ich m&öuml;chte nicht erklären, warum ich zuweilen diesen Texte, dieses Gedicht und jenen Brief ausgewählt habe. In den meisten Fällen hatte ich dafür Gründe, kam es mir gerade auf einen besonderen Zusammenhang, Aspekt usw. an. Aber andererseits ist es doch gerade so, daß es dem noch nicht verbogenen Leser viel mehr Spaß macht, sich selber im Wald - in der Welt umzusehen und nicht von vornherein mit der Schere im Kopf "Wo will mich der Lehrer hinhaben? Was kommt wohl in der nächsten Klassenarbeit heran?" ! Andererseits gab es selbstverständlich auch wunderschöne Texte, bei denen es mir schwerfiel, auf sie zu verzichten.

Bevor ich hier erkläre, was mich bewogen hat, was der Auslöser oder Anlaß für mich war, diese Broschüre zusammenzustellen, möchte ich mich mit zwei anderen fragwürdigen Allgemeinplätzen auseinandersetzen. Ich umschreibe sie durch die Wiedergabe dreier Parolen, Sätze, Losungen: "Diese Welt ist es nicht wert." - "Ändere die Welt, sie braucht es." - "Der Mensch ist gut."

Also um es als allererstes zu sagen. Die Welt ist schön, sie ist wunderbar. Warum sollte sie nicht hier und da noch schöner werden, dagegen ist ja nichts einzuwenden. Aber die Voraussetzung muß doch erkannt sein, daß es eine schöne Welt ist, auf der es sich zu leben lohnt. Wenn ich das hervorhebe, liegt es nahe, an die gegenteilige Aussage zu denken. Ja, und darum geht es mir auch. Ich habe den Eindruck: gerade in den Industrieländern nimmt die Mehrheit der Menschen den gegenteiligen Standpunkt ein, nämlich den, daß sie, - die Welt - vor allem verändert werden muß. Viele haben diese Denkweise schon so verinnerlicht, daß sie nur mehr oder weniger griesgrämlich aus der Wäsche schauen, überall nur den Feind und nicht den Kameraden erkennen. Aber in Wirklichkeit ist doch das Gegenteil richtig, auch wenn ich dieses oder jenes nicht "kriege" nicht "HABE", lohnt sich doch das wunderbare SEIN. Es lohnt sich jede Teilnahme am Spiel der Natur, von der wir doch auch nur ein Teil sind.

Auch mir ging es so, in diesem ganzen Veränderungswahn, dem ich selbst lange angehangen habe, übersah ich, wie schön die Welt eben jetzt ist. Und ich übersah außerdem, daß jedes aktive Bemühen um Verbesserung auch die Möglichkeit der "Verschlechterung" eröffnet. Hebe ich den Stein an, so wirke ich der Haftreibung entgegen und mehrere Bewegungsrichtungen werden möglich.

Und wenn ich die Welt verändere, sollte ich mir auch klar machen, daß es außer Siegern, fast immer auch Verlierer geben wird, und wenn diese das können, werden sie auch versuchen, ihre Niederlage abzuwenden. Außer diesen etwas flachen Vorbemerkungen, die sich nur zwischen den Begriffen - Kampf - Sieg und Niederlage - bewegen, gibt es doch aber offensichtlich noch eine ganze Reihe von weiteren Erlebnissen, Feldern des Lebens, die durch das Beobachten, durch Musik, Literatur, Kunst, die durch das ganze weite Feld der schönen, (- bei meinem Großvater waren das immer die "brotlosen" -) Künste ausgefüllt werden.

"Diese Welt ist es nicht wert." ... Glücklicherweise besteht die Menscheit nicht nur aus Selbstmordattentätern, aus Fanatikern, die meinen, "so wie die Welt ist, ist das Leben in ihr, in dieser Welt, nichts wert." Eine gewisse Folgerichtigkeit kann ich dieser Weltfremdheit, diesem Nicht-Da-Sein nicht einmal absprechen. Von der mathematischen Logik her ist es sowieso klar, daß man aus etwas Falschem jede beliebige Aussage ableiten kann, die Richtigen sowieso, aber eben auch alle Falschen. Solche weit her geholten Exkurse, sind im Zusammenhang mit der hier behandelten Zeit, den Dreissiger und Vierziger Jahren leider überhaupt nicht "weit her geholt", denn die Zeit damals war "mehr noch als die heutige ?!!" eine Zeit der Verzweifelung, nicht nur Stefan Zweig nahm sich in Brasilien, in der Nähe von Rio de Janeiro das Leben, auch Marina Zwetajewa sah fast zur selben Zeit in Jelabuga in der Sowjetunion für sich keinen Ausweg. Mir kommt es an dieser Stelle nur darauf an, die grundsätzliche Lebens- Weltbejahung herauszuarbeiten. Der andere Allgemeinplatz, den ich in Frage stelle, ist mit dem Satz "Der Mensch ist gut" aufgerufen. In unseren Jahrhunderten wird menschliches Leben mehr und mehr auf die soziale Frage reduziert. Gut und Böse lassen sich nicht als Resultierende der Umwelt und drei bis vier Grundeigenschaften erklären. Mit den Begriffen "Arm" und "Reich", vielleicht noch weiblich oder männlich lässt sich nur wenig erklären und ich wundere mich immer wieder, wie sehr die Gesellschaft allein in diesen Kategorien "denkt" und Abhilfe organisieren zu können glaubt. Ich wundere mich immer wieder, in welch hohem Maße die meisten Menschen, vielleicht auch ich, geneigt sind, das Leben und seine vielfältigen Qualitäten derartig monokausal zu erklären.


Vielleicht, vielleicht sind meine hier eben angedeuteten Gedanken nur typisch für alt gewordene Menschen und haben mit den Texten, mit den ihnen zugrunde liegen-den Ereignissen und Erlebnissen nichts zu tun, vielleicht sind sie nicht deren Ergebnis.

Schon jahrelang, nein Jahrzehnte lang, es sind viele Jahrzehnte, daß ich mich für Rußland, für seine Revolution, für seine Geschichte interessiere. Warum, warum, ich weiß es nicht, vielleicht, weil es mir erschien, als fände man dort die Alternative zur deutschen Nazi-Barbarei. Und nun erscheint es mir mit einem mal gerade umgekehrt, als sei die Flucht in die Nazibarbarei tatsächlich Resultat jener "Lösungen" gewesen, in denen die "Kulaken" als Klasse beseitigt wurden, die Hungersnöte unvorstellbaren Ausmasses lange schon vor 1933 in der Ukraine und in ganz Rußland ein von Menschen gemachtes Elend bewirkten. Dieser Schlußfolgerung und dieser Aussage wäre ich vorher immer entgegengetreten. Es war wohl der Krieg und die allgemeine Verrohung der Menschen, ihre Verwandlung in industriell "denkende" menschliche Anhängsel einer industriell orientierten Maschinenwelt.

Nach der russischen Oktoberrevolution zog es viele europäische Schriftsteller von Stefan Zweig bis Bernhard Shaw und Malraux nach Russland, wo die durch die amerikanische Revolution 150 Jahre vorher eingeleitete Hoffnung auf ein "letztes Gefecht" Gestalt anzunehmen schien. Geistesgeschichlich waren unter der russischen Intelligenzia schon in den Fünfziger und Sechziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts die Weichen gestellt worden hin in Richtung auf ein vorwiegend und rein naturwissenschaftlich und technisch orientiertes Weltverständnis. Iwan Turgenjew hat jene Sicht in seinem Roman "Väter und Söhne" 1861 problematisiert. ["Ein ordentlicher Chemiker ist zwanzigmal wertvoller als jeder Poet," unterbrach ihn Basarow.] Diese Auffassung war für die Mehrheit der europäischen Geisteswissenschaftler damals charakteristisch.

Anstoß dieses Büchlein zu erstellen war ein Erlebnis anderer Art, eine Folge von Beobachtungen, Zufällen, "mystischen Erlebnissen", deren Schilderung ich voranstellen möchte. Wenn der Weg gebahnt ist, wenn die neue Erkenntnis gefunden - gesichert zu sein scheint, verblasst das Erstaunen, auch das Erlebnis der Suche. Der Reiz des Neuen, die Qual seiner Suche, all das, was das schöpferische Erlebnis, das Aufleuchten des Staunens ausgemacht hat, wird Routine. Selbst dem, der den Pfad erstmals gegangen ist, fällt es schwer, sich seines eigenen Staunens zu erinnern. - Um den Leser am Erstaunen teilnehmen zu lassen, mößte ich als Autor in der Lage sein, den Zustand meiner eigenen Gefühle zu erklären und zwar im Augenblick des Aufblitzens der neuen Erkenntnis.
Als Empfänger, als Beobachter, habe ich mich zu erklären. Nur, wenn meine Sensibilität hinreichend ausgeprägt und entwickelt ist, kann ich die Signale empfangen. Bestimmte Schallwellen lassen sich nur von Fledermäusen empfangen, Erziehung und Hör-Ausbildung können unsere organischen Defekte nicht ersetzen, andere aber doch. Darauf haben übrigens sowohl Nietzsche als auch Hanns Eisler hingewiesen.
Auch wenn mich jene Erlebnisse und Eindrücke heftig bewegten oder sogar erschütterten, habe ich natürlich weder den Anspruch noch nur den Eindruck, sie seien mit jenen der Erleuchtung und Erweckung vergleichbar, wie ich sie zu Beginn angedeutet habe. Die Bedeutung und das Gewicht, die neue Erfahrungen und Sichtweisen für den Einzelnen haben, hängen vor allem von dessen Vorzustand und vom Ausmaß neuer Erkenntnis - bzw. des Abweichens von schon assimilierter Gewohnheit - ab. Weitere Berichte kenne ich, in denen von den Umständen geschrieben wird, unter denen sich "Erleuchtung" oder "Erweckung" ereignet habe. Da berichtet Arthur Koestler vom Erleben des "ozeanischen Gefühls" , das ihn in der Todeszelle erfaßte, als er während des spanischen Bürgerkriegs 1937 im Gewahrsam der frankospanischen Faschisten seiner Hinrichtung harrte. Eine andere Beschreibung eines solchen Erlebnisses sehe ich in einem Brief, den Anna Achmatowa 1941 in Taschkent von ihrem ehemaligen Ehemann Nikolai Punin aus Samarkand erhielt. Jenes Dokument habe ich in dieser Sammlung wiedergegeben. Der Brief hat mich so beeindruckt, daß es mir so vorkommt, als hätte ich alles andere hier nur zusammen getragen, um diesem Brief einzurahmen. Aber das ist natürlich gar nicht wahr, denn ich steckte schon mitten in diesem mich bewegenden Erlebnis als ich endlich auf dieses Schreiben stieß. Doch ich bin im Begriffe der Darstellung vor-auszueilen.

Die Lektüre jenes Sammelbandes über Berlin, in dem ich Brigitte Berwald-Fischers Erinnerung an jenes Fest gefunden hatte, veranlasste mich in das Original zu schauen. Und darin fand ich Briefe, die Boris L. Pasternak zwischen dem 26. Sept. 1958 und dem 16. Februar 1960 an den Fischer-Verlag geschickt hatte.

Diese Briefe zu lesen, berührte mich sehr, Pasternak wirkte auf mich wie ein aus der Tiefe wieder auftauchender Schwimmer, der an die Oberfläche gelangt nach Luft schnappt. Offensichtlich waren die Texte nicht übersetzt sondern von Pasternak in deutscher Sprache verfaßt und der Post übergeben. Das bestätigten Faksimiles, jenem Buch beigegeben und im Erinnerungsbuch ihres Mannes. Boris Pasternaks ausdrucksvolles Deutsch und die vom lexikalischen abweichende, manchmal geradezu sprach-schöpferische Wortwahl und Ausdrucksweise beeindruckten mich sehr. An seine erzwungene jahrelange Isolation von der Beteiligung an der aktiven Weltliteratur von Eliot, Kafka bis Thornton Wilder oder Stephen Spender, mußte ich denken. "Es gibt kein fremdes Leid", heißt es bei Konstantin Simonow. Die in Pasternaks Briefen dokumentierte Abge-schiedenheit und Isolation, erzwungen durch die staatliche Kontrolle, die selbst keinerlei Kontrolle ausgesetzt war, rührte mich sehr. Es war ja die Situation, die nach dem Tode Stalins und dem 20. Parteitag der Kommu-nistischen Partei Sowjetrußlands offenbar wurde. Und ich las diese Texte jetzt nach dem Zerfall des Imperiums weitere fünfzig Jahre später. Wahrscheinlich war es jetzt auch der eigene löchrig gewordene oder gebrochene Panzer, den ich mir selber für lange Jahrzehnte angelegt hatte - und wofür ich mich auch vor mir selbst schämte, der diesen Schock verstärkte.

Pasternak war mir natürlich ein Begriff. Damals, 1959, das war ja das Jahr als ich vierzehnjährig aus der DDR zu meiner Mutter in Westberlin "ausreiste" - wenige Jahre vor dem Mauerbau. Und das Bild Pasternaks - oder jedenfalls das Bild, das damals den Umschlag seines Dr. Shiwago zierte, wird mir sicher unvergessen bleiben.

Sicher werde ich irgendwann den Film gesehen haben. Die Zusammenhänge hatte ich längst vergessen und ich bin ziemlich sicher, daß die Verfilmung des Romans kaum an die Gedankenwelt, an die Tiefe, an die Problematik des Buches heranreicht. Ich zweifele auch, ob mir damals selbst die Lektüre zu den Einsichten verholfen hätte. Ich glaube auch, daß es weniger um Einsicht als vielmehr um eine Art Erlebnis geht. Ein Erlebnis beruht auf Erfahrungen, auf gelebten und erlebten Emotionen, und erst wenn alle diese kleinen Wirkstoffe im richtigen Verhältnis, der richtigen Temperatur, den richtigen Licht- und Luftverhältnissen zum richtigen Zeitpunkt vorhanden sind, dann kann es (muß nicht) zu dem Erlebnis kommen, das bei dem einen diese Wirkung und bei einer anderen eine ganz andere Wirkung haben kann.

Ich wandte mich Pasternaks "Geleitbrief" und anderen seiner autobiogra-phischen Schriften zu. Form und Inhalt jenes "Geleitbriefs" begeisterten mich, vielleicht entsprechend der Perikles'schen Logik, weil in ihnen das zu finden war, was wir nicht (mehr) haben.

Ich habe noch einmal nachgesehen, und festgestellt, daß sich eine Ausgabe des "Geleitbriefs" tatsächlich schon seit mehr als fünfzig Jahren - bis vor kurzem ungelesen - in meinem Besitz befindet. Sicher wäre es mir aber auch nicht anders ergangen wie Stefan Zweig. Der berichtete, daß manche Texte Montaignes und Renans bei ihm erst in späterem Alter auf Verständnis gestossen wären und er sich ihrem Sinn hinreichend geöffnet hatte. - Und im Gegensatz zu Boris Pasternak war meine schulische Bildung sowohl hier in Berlin (Westberlin von der Schulbildung in der DDR ganz zu schweigen) deutlich unter dem Niveau der Bildung, die Pasternak mitbrachte, als er nach Marburg reiste, um die Philosophie Natorps und Kohns zu studieren. Ich empfinde es als einen Mangel in meinem Leben, daß diese Pforten für mich schon damals geschlossen waren. Ich bedauere diese Entwicklung; der heute an den zum Abitur, zum Hochschulstudium, führenden Schulen vermittelte Stoff und mehr noch seine Art der Vermittlung ist auf abprüfbares Faktenwissen zugeschnitten. Ihr Zweck ist nicht mehr Bildung sondern höchstens Ausbildung, welch ein Niedergang, wenn man die weitere qualitative Entwicklung der deutschen Abituranforderungen mit dem Niveau damaliger russischer Bildungs-stätten vergleicht.

Meinem subjektiven Eindruck und Bedauern habe ich aber sowohl die Hesse'sche Pendelbewegung der Moden und Strömungen in der Geschichte entgenzustellen als auch die alte Einsicht aus der Zeit da Amerika noch nicht einmal entdeckt war: "Cualquiera tiempo pasado fu? mejor". "Jede vergangene Zeit war besser."

Für die Zusammenstellung in diesem Büchlein habe ich mich auf drei Namen konzentriert: Pasternak, Achmatowa und Zwetajewa. Jede - jeder - von den dreien repräsentiert für sich selbst und gemeinsam das Milieu der in Russland dünnen, hochkultivierten bürgerlichen Schicht, in der - wie Jakob Burkhardt es ausdrückte - "der Geist warm saß", weil, nicht obwohl, die finanziellen Mittel bescheiden waren. Die Kinder wurden, wie damals üblich, ehe sie zum Gymnasium kamen, zu Hause unterrichtet und lernten schon hier sehr gründlich die deutsche und die französische Sprache. Die kulturellen Verbindungen mit Westeuropa waren in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg sehr intensiv.

Mein mit "Pasternak" überschriebenes "mystisches Erlebnis" umfasst dann noch einmal drei Namen, nämlich L. O. Pasternak, A. Skrjabin und R. M. Rilke. Leonid O. Pasternak, Boris' Vater, arbeitete als Maler sehr eng mit Leo Tolstoi zusammen, Alexander N. Skrjabin, Komponist und Konkurrent Rachmaninoffs und Reiner Maria Rilke. Drei Namen, drei Quellen, drei Bestandteile, drei Türen zu drei weiten und großartigen Feldern europäischer Hoch-Kultur, Kulturgeschichte der Jahrhundert-wende vor dem ersten Weltkrieg. Es sind Welten voller Zauber, immer neue alte Namen Tolstoi, Nietzsche, Lou Andreas Salome , Freud, Maja-kowski, die Achmatowa, Marina Zwetajewa, Paul Natorp, werden genannt, ihr Glanz erhellt, erblüht, vergeht. Es erinnerte mich an das Kaleidoskop der Räume in Hermann Hesse's "Steppenwolf", ein Labyrinth von "Stufen" und Gängen, die im Leben zu durchwandern sind: Marburg, die Einheit der Kunst, die Einheit des Lebens mit der Natur, miteinander verwoben, ziehen aneinander vorbei.

Bei Anna Achmatowa und bei Marina Zwetajewa waren die Weite und hohe Qualiät der künstlerisch-ästhetischen Vorbildung schon im frühen Kindesalter beginnend nicht weniger intensiv, faszinierend und schon fast das Wohl des Kindes infragestellend. Alle drei waren also ein Beleg dafür, daß Rußlands künstlerisch schon damals zur Weltspitze gehörte und jede Form von banausisch und ge-schmacklich barbarischer "Weiterentwicklung" nur mit einer gezielten kulturellen Entwurzelung des Volkes, das seiner Spitze beraubt war, erklärt werden kann.

Auch wenn die Mehrheit (Bolschewiki) der russischen Sozialdemokraten vor 1917 zahlenmäßig nur eine kleine Gruppe bildete, die sich nur auf Teile der Intelligenz und der Arbeiterschaft stützte ist doch anzumerken, daß ihre extremen Positionen, damals innerhalb der russischen Intelligentsia und selbst in Fabrikan-tenkreisen vielfach geteilt wurden. So gab es reiche Förderer der Partei und ihrer Bestrebungen. Nach der Revolution und nach dem Bürgerkrieg ging deren Unterstützung und Beteiligung an der "neuen Ordnung" recht allmählich zurück. Die Mehrheit der alten Bolschewiki waren hochgebildete Menschen. Gespräche die Pasternak mit Trotzki bzw. mit seinem langjährigen Förderer Bucharin geführt hatte gehörten sicher zu dem Material auf das Pasternak zurückgreifen konnte, als er später - wahrscheinlich schon während des Krieges - oder unmittelbar danach - mit dem Schreiben am "Dr. Shiwago" begann. .

Die oben versprochene Begründung und Motivation, wie es zu diesem Broschürenprojekt gekommen ist, habe ich jetzt dargestellt. Vielleicht ist das als Moti-vation, sich damit zu beschäftigen noch zu wenig, denn ich habe ja mehr oder weniger nur meine persönliche Betroffenheit dargestellt. Um Dich nun zu veranlassen, Dich tatsächlich mit dem Thema zu beschäftigen, möchte ich noch zwei weitere überlegungen anführen.

Und wieder fällt es mir schwer sie zu benennen. Sicher hatten schon die alten Griechen dieses Problem und haben ihre Götter mit den Eigenschaften Zeit, Schönheit, Liebe, Vorsehung und Schicksal, Weisheit, Ordnung usw. versehen. So besaß keiner der Götter die Allmacht, jeder war in gewisser Weise von allen anderen abhängig. Vielleicht war Homer, der erste, der indirekt versucht hat, eine Vorlage zu geben, damit das systematisiert werden konnte.

Ein anderes Feld von Gesichtspunkten mit denen sich die Völker, ihre Denker, ihre Weisen beschäftigten, waren die Begriffe des Schönen, des Guten und der Sinn. Diejenigen, die von der Liebe zur Weisheit, der Philosophie erfasst waren, fragten nach dem Sinn des Lebens. Vieles was gedacht und gefunden, und sogar aufgeschrieben worden war, wissen wir heute nicht mehr. Und doch hat es den Anschein, als habe sich schon sehr früh der Einsatz für die Gemeinschaft, für das Rudel, den Stamm als höherwertiges Ziel, als orientierender "Sinn des Lebens" herausge-bildet. Unsere heutige Kultur, unser Denken, unsere Wertwelt hat ihre Ursprünge in der geistigen Welt der Griechen, vor allem der Athener. Es hat den Anschein, als habe im Denken dieser Griechen die Sorge um den Tag, um das tägliche Überleben einen niedrigeren geradezu verachtenswerten Rang gehabt ("idiotisch" - vgl. 6. Anhang). Mir erscheint es so, als habe es schon damals den immerwährenden Konflikt zwischen den Anhängern einerseits der Freiheit, des Schönen und des Schöpferischen und andererseits den Befürwortern der Nützlichkeit, des Utilaris-mus und der rigiden militärischen Ordnung gegeben. Hie Athen und dort Sparta. Vielleicht überstrapaziere ich den historischen Gegensatz. Dennoch möchte ich den Gedanken noch ein wenig ausmalen. Nomen est omen. Auch die Wahl der Namen in alter und uralter Vergangenheit enthalten Aussagen, die mir erst jetzt auffallen. Sparta war der Staat (die Stadt) der militärischen Ordnung, in der die Kinder schon früh an den Staat zur gemeinschaftlichen Aufzucht abzu-treten waren. Das Leben insgesamt wird dort spartanisch und wohl für alle gleich gewesen sein. Athen dagegen steht für mich für Schönheit, Kunst, Harmonie, Entwicklung der unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen und dem freiwilligen Einsatz für die Polis, die Stadtgemeinschaft als höchstem Ziel im ständigen edlen Wettbewerb bester zu werden.
Und sowohl der historische SPARTA-kusaufstand der Sklaven mit dem Ziel zu Sklavenhaltern aufzusteigen als auch der mit "Karl und Rosa" sympathisierenden Kämpfer scheinen sich um Kunst und Kultur einen feuchten Kehricht gesorgt zu haben. Nomen est omen, ich schrieb es schon. Ich habe oben schon hervorgehoben, daß viele Bolschewiki, viele linke Sozialdemokraten (sowohl) in Rußland und (natürlich auch) in Deutschland sehr gebildete Menschen waren. Rosa Luxemburg wäre es wie Lunatscharski im Leben nicht eingefallen, die kulturellen Werte und Normen aus der Welt zu schaffen. Rosa Luxemburg war entsetzt über die russische Revolution. Kultur und menschlicher Umgang gehören zusammen. So ging es auch Käthe Kollwitz, sie war engstens mit dem revolutionären Flügel der deutschen Sozialdemokratie verbunden. In ihren Aufzeichnungen und autobiographischen Aufzeichnungen äußert sie sich schockiert über die Spartakuskämpfer, nicht weniger als über die andere Seite, von der sie vielleicht auch nichts anderes erwartet hatte.
Damit schliesse ich meinen Exkurs zu SPARTA und spartanisch und SPARTAKUS.

Der Mensch braucht zum Leben Kultur, menschlichen Umgang miteinander, ohne ihn kann er nur verkümmern. (In wie weit militärischer Umgang nicht schon zur unmenschlichen - mehr maschinellen Seite des Umgangs zählt, ist ja schon eine Frage.) Erst der menschliche Umgang, menschliche Nähe und Wärme, erst das Schöne, Musik, Kunst und Literatur machen das Leben lebenswert.

Die Griechen, und das heißt dann eigentlich immer, die mit den Athenern geistig verbundenen, haben ihre Liebe zur Poesie, zur Kunst verschieden begründet. In den alten Schriften (vgl. 6 Anhang) wird der göttliche Charakter der Poesie und Kunst hervorgehoben, mit der die Sterblichkeit der Menschen überwunden werden kann. Poesie, Schönheit begründet oder verwirklicht also ein Stück Überwindung von Zeitlichkeit und Diesseits.

Einen weiteren Zugang habe ich in den Beschreibungen Ryszard Kapuscinski`s: "Meine Reisen mit Herodot" gefunden. Kapuscinski, Weltreisender, polnischer Korrespondent in Indien, China, Afrika, Algier, Dar es Salan und Lateinamerika schreibt: "Und so wie ich mich einst danach gesehnt hatte, die Grenze im Raum zu überschreiten, so fasziniert mich jetzt das Überschreiten der Grenze der Zeit.
Ich befürchtete, ich künne in die Falle der Provinzialität tappen. Den Begriff der Provinzialität verbinden wir gewöhnlich mit dem Raum. Provinziell ist jemand, dessen Denken sich auf ein marginales Gebiet beschränkt, dem er eine übermäßige, universelle Bedeutung zumißt. Doch T.S. Eliot warnt vor einer anderen Provinzialität, nicht der des Raumes, sondern der der Zeit." "In unserer Zeit", so schreibt er in seinem Essay über Vergil aus dem Jahr 1944, "wo die Menschen mit immer größerer Vorliebe Weisheit mit Wissen und Wissen mit Informiertheit verwechseln und Lebensfragen mit den Mitteln einer technisch-mechanischen Begriffswelt zu lösen suchen, entsteht eine neue Art des Provinziellen, der man vielleicht schicklicherweise einen anderen Namen geben sollte. Es ist eine Provinzialität nicht des Raumes, sondern der Zeit; eine Provinzlerhaftigkeit für die die Geschichte nichts weiter ist als eine Chronik menschlicher Planungen, die der Reihe nach ihre Schuldigkeit getan haben und dann zum alten Eisen geworfen worden sind; eine Provinzler-gesinnung, der zufolge die Welt ausschließlich den Lebenden angehört, während die Toten keinen Anteil an ihr haben. "

Weil mir das Überzeitliche wie auch das Sinnliche, das Emotionale, vielleicht auch das Quasi-Religiöse, das Achtsame, das sich zum Teil einer verbalen Be-schreibung entzieht, in unserer rationalen Zeit viel zu kurz zu kommen scheint und es mir auch so scheint, als sei genau das die allgemeine Tendenz, möchte ich mich ihr deutlich entgegenstellen. Je mehr unser praktisches Leben durch Technik und Maschinen erleichtert und bestimmt wird, um so wichtiger wird es für uns, die wir auch selbst vergänglich sind, unsere menschliche Seite unserer Gefühle, der Wärme, der Liebe zu zelebrieren und sie keineswegs auf der Altar des Schneller, Höher, Weiter zu opfern. Denn das ist es doch, was bleibt, und wofür sich zu leben lohnt.[25]



ANMERKUNGEN;

[1] Auch wenn mein Großvater immer über die brotlosen Künste gelästert hat, gab er mit seiner Begeisterung für den Fußballsport, der vor einhundert Jahren tatsächlich noch eine sehr brotlose Kunst war, ja ein gutes Beispiel dieser "Lebensfremdheit".
[2] "Diese Betrachtungsweise fand um so eher bei den Geisteswissenschaften Aufnahme als diese - dem Zeitgeist vor der letzten Jahrhundertwende gemäß - die fortschrittliche Entwicklung der Menschheit fast axiomatisch mit den Interessen der Technik identifizierten." Aus: Hendrik de Man, Kultur oder Zivilisation, in: T.S. Eliot, Zum Begriff der Kultur, Reinbek 1961. (Original von 1948!)
[3] Friedrich Nietzsche, "Was den Deutschen abgeht", Ziffer 6 in: F.N., Götzendämmerung, , Kröner Bd.77, Stuttgart 1990, hier: Ecce Homo S.128f. (Vorschule der Geistigkeit.)
[4] Hanns Eisler, über die Dummheit in der Musik in: Bunge/Eisler, Fragen Sie mehr über Brecht. (Gespräche mit Bunge)..
[5] Im "Siddartha" hat Hermann Hesse Momente der Erleuchtung und des Einsseins mit der Welt geschildert und auch wie sich jener Zustand unmerklich wieder verflüchtigt hat. Die historische Person des Gautama Buddha lieferte das Motiv. In einer kleineren Arbeit mit dem Titel "Gläck" hat er ein ähnliches Thema angesprochen.
[6] Arthur Koestler, Ein spanisches Testament, in: derselbe: Als Zeuge der Zeit, fischer-vlg. 2005, S.251-372, insbesondre S.365: Die Interpretation von Schopenhauer "Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich."
[7] Christian Buckhard, Arthur Koestler, Ein Extremes Leben 1905-1983, München 2004, Seite 140, bzw. 139: Er begriff, daß die Menschheit eine Abstraktion, der einzelne Mensch jedoch eine Realität ist. In der Gemeinschaft der Mitgefangenen machte Koestler die Erfahrung, daß er und die anderen Insassen des Gefängnisses "auf eine unerklärliche Art und Weise dieselbe Identität und Substanz besassen, wie Siamesische Zwillinge oder kommunizierende Röhren", daß sie als Individuen doch Teile eines Ganzen waren.(139) Das in der Todeszelle gemachte Erlebnis der Selbsttranzendenz ging über die erfühlte Einheit mit den Mitgefangenen hinaus. Für Stunden, davon war er überzeugt, vermochte er in seltener Klarheit die "geheime Ordnung der Dinge" jenseits des Verstandes erfassen. Wenn ihn das "ozeanische Gefühl" überkam, fühlte er, daß jedes Individuum Teil des kosmischen Ganzen sei. In diesen langen Momenten der Klarheit, so empfand er, hörte sein "Ich" auf zu existieren und löste sich in jener universalen Einheit auf. Diese mystischen Erfahrungen ließen ihn von nun an von der Existenz einer verborgenen höheren Wirklichkeit überzeugt sein, die allein dem Leben Sinn verleiht."[Koestler, Invisible, S. 352-356] ""
[8] Siehe Seite 43ff.
[9] Am 9.4.13 fand ich im Internet unter http://www.berliner-zeitung.de/archiv/die-moskauer-villa-rjabuschinskiist-einer-der-schoensten-jugendstilbauten--stalin-lehrte-hier-sozialistischen-realismus-ein-jahrhunderthaus,10810590,10659624.html einen schönen Bericht.; vgl. auch Schlögel, Moskau lesen, S. 56f.
[10] Im Mai 2013 bin ich noch einmal durch den Grunewald gefahren und habe mir das alte Verlagshaus von Samuel Fischer von außen angesehen. Es kam mir vor wie ein Klotz, die Schönheit, der Vergleich mit dem Schechtel'schen Gorki-Haus im Jugendstil in Moskau schien mir nun doch unangebracht. Ja, die Fantasie spielt einem manchen Streich.
[11] Brigitte B. Fischer, "Sie schrieben mir oder was aus meinem Poesiealbum wurde", dtv 1989
[12] Gottfried Bermann Fischer, Bedroht - Bewahrt - Weg eines Verlegers, Frankfurt 1967.
[13]Meine Lektüre vermittelte aber auch den Eindruck grauer Flecken auf seiner [Konstantin Simonows] Weste, ja - wer hat die nicht, wenn er versucht, sich zu beteiligen.
[14] Vgl. 6. Anhang hier in diesem Büchlein - Über Schönheit.[Hannah Arendt ...bzw. das Griechentum]
[15] Dem liegt der Briefwechsel des Schriftstellers H.Hesse mit seinem Vetter Wilhelm ? [der China-Forscher?] zugrunde, in dem beide politische Ereignisse und Stimmungen als solche periodische Schwingungen und Wellenbewegungen interpretieren.
[16]- Jorge Manrique (1440 - 1478). Jos? Ortega y Gasset verweist in seinem 1930 (!!) verfassten Buch "Der Aufstand der Massen" auf diesen doch immer nur teilweise richtigen Anschein. (rde nr.!0, Reinbek 1965, S.19.
[17] Heddy Pross-Weerth, Einführung in: Olga Lewinskaja, Lara - meine Zeit mit Pasternak, Hamburg1978, S. 11.
[18] Vielleicht bestand das "Erlebnis" auch einfach nur in der Überraschung mit wohlbekannten Namen konfrontiert zu werden, von deren Zusammenwirken oder Bekanntschaft ich bis dahin nichts wußte.
[19]Lou Andreas-Salome, Freundin Nietzsches, später u.a. Rilkes Vertraute, man muß ihre Bücher lesen, die Biographie über sie, ihre Nähe und wechselseitige Freundschaft zu Sigmund Freud.
[20]In Briefen an Pasternak aus dem Jahr1948 findet sich von Ariadna Efron, Marina Zwetajewas Tochter, ausführliche Kritiken an seinem im Werden befindlichen Werk.
[21] Daß Ordnung, Klarheit, Gesetz usw. auch etwas entlastendes, befreiendes haben, und daß der Gegensatz vielleicht auch in jedem Menschen ruht, wie die Zwei, der Zweifel, erwähne ich.
[22] Es gab Zeiten, da galt es als unfein, am Schönen Genuss zu erleben:

"Wolf:
Ja, das ist eine sehr schöne Anekdote, die übrigens wirklich passiert ist mit Heinz Zöger [später der Ehemann von Carola Stern] ein Mann, der damals Chefredakteur vom Leipziger Rundfunk war, wo ich als Hilfsredakteur 1951 begann brachte ich ein Rilke- Gedicht in einer Sendung.

Gaus:
Es musste Geld verdient werden, denn Sie hatten gerade - ich komme darauf - Christa Wolf geheiratet.

Wolf:
So ist es. Wir bekamen unser erstes Kind. Christa studierte weiter bei Hans Meier in Leipzig. Ich konnte nicht nebenbei studieren. Und die Geschichte ist - wie gesagt ich brachte ihm meine Sendung, war ein Rilke - Gedicht drin. Und er sagte, spätbürgerliche Dichtung, das kommt nicht bei uns in Frage. Ich sagte, das ist doch ein ganz gutes Gedicht. Na ja, sagte er, wenn wir abends, wenn ich mich von dem Kram hier erhole, da lese ich auch Rilke. Das wurde einem höheren Funktionär erzählt. 'Was sagen Sie von so einem Genossen? Er verbietet es für die Sendung aber abends liest er's?' 'Das kommt darauf an', sagte der. 'Will er sich weiterbilden - oder hat er Genuss dabei?' Und das war dann bei uns eine stehende Redewendung. Der hat bei dieser oder jener Gelegenheit Genuss dabei." Zitiert nach Günter Gaus im Gespräch mit Gerhard Wolf, 15.10.2003. http://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/wolf_gerhard.html
[23]Eine Taube macht noch keinen Sommer, aber das Haus Morosow, eine russische Fabrikantenfamilie war für ihre finanzielle Förderung der Bolschewiki bekannt. Hanns und Gerhard Eisler stammen wie ihre Schwester Ruth Fischer aus einem Wiener Professorenhaushalt. Der Vater war Autor eines Standardwerkes zu philosophischen Fragen. Es ist auch durchaus nicht untypisch, daß der spätere sowjetische Außenminister Molotow ein Cousin des oben erwähnten großartigen Komponisten Skjabin war.
[24] Ryszard Kapuscinski, Meine Reisen mit Herodot, 2004, S.347
[25] T. S. Eliot, Was ist ein Klassiker? (Vergil, 1944) in: Ausgewählte Essays, Berlin, Ffm. 1950 (Suhrkamp) S. 507f
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